Bye bye, Pseudonyme!

Ich heiße Dieter Paul Rudolph und meine Bücher verkaufen sich nicht. Haben sie noch nie. Größter Erfolg: ein Lehrbuch für Multimedia-Entwickler, dann kommt lange nichts, dann kommt mein Krimidebüt, aber auch nur, weil ich es später noch einmal als Selfpublisher veröffentlicht habe. Vierstellig sind die Verkaufszahlen dennoch nicht geworden. Wie es den anderen Büchern von Dieter Paul Rudolph erging, verschweige ich lieber, man kann es sich vorstellen.


Ich heiße Tom Dehlin und meine Bücher verkaufen sich ganz ordentlich. Ich hatte sogar mal einen ordentlichen Bestseller, Top 10. Das ist jetzt auch schon über zwei Jahre her und seitdem haben sich die Verkaufszahlen beruhigt, aber mehr als Dieter Paul Rudolph verkaufe ich dennoch. Locker.
Ich heiße auch … oder …, und meine Bücher haben mal Erfolg und mal nicht. Ich verfasse, oh mein Gott!, reichlich satirische Krimis oder, nein!, Bücher über Ritter und Nazi-Detektive, unschuldige Mädchen mit übernatürlichen Fähigkeiten und – davon wurde genau ein Exemplar verkauft – pubertierende Jungs, die nachts von dem Fenster ihrer Deutschlehrerin onanieren.
Ich heiße … ach was! Egal! Ich bin Schriftsteller. Ich vermag in viele Rollen zu schlüpfen und sie auszufüllen. Aber das ist nicht der Grund, warum ich so oft den Namen wechsele und meinen eigentlichen, bürgerlichen verleugne. Es geht um mein Renommee. Darum, dass mich, der sich einen Ruf als »anspruchsvoller Krimiautor« erarbeitet hat, niemand mehr ernst nähme, wenn herauskommt, dass dieser dpr gelegentlich schundmäßig dermaßen auf die Kacke haut, dass … Aber auch egal. Denn damit ist jetzt Schluss. Wenn Dieter Paul Rudolph in Zukunft etwas schreibt, dann steht auch Dieter Paul Rudolph drauf!
Denn Pseudonyme, wenn sie geheim bleiben sollen, haben Nachteile. Der größte: Du kannst dein Buch nicht anständig bewerben. Die Biografie von Tom Dehlin ist eine Fake-Bio, O.M. Gott hat erst gar keine mit in sein Leben gekriegt. Wann immer ein Pseudonym entsteht, veröffentlicht jemand seinen »Debütroman«, was natürlich böse geflunkert ist, aber das Schlimmste dabei: Es wirft dich als Autor sofort wieder ganz zurück an den Anfang, O.M. Gott kann keine Fans von Tom Dehlin mit auf den Weg nehmen, Tom Dehlin keine von Dieter Paul Rudolph. Okay, auf die drei Verkäufe kann Tom verzichten.
Nein, mir reicht es einfach. Mag sein, dass Dieter Paul Rudolph eben keine Bücher verkauft, weil er Dieter Paul Rudolph heißt. Die Leser mögen ihn nicht, er ist zu arrogant, zu kahlköpfig, seine Augen stehen zu weit auseinander, er ist zu alt, zu mürrisch, zu faltig, zu desillusioniert, zu zynisch, zu blöd für den Markt. Na, in Ordnung. Wenn dem so sein sollte, dann ist dem halt so. Dann wird Dieter Paul Rudolph eben weiterhin keine Bücher verkaufen und irgendwann vor dem Amt mit dem großen A stehen (nee, nicht Amazon) und einen Antrag ausfüllen müssen.
Aber wisst ihr was? Ich scheiß drauf. Ich werde ab sofort ein Buch nach dem anderen raushauen, Krimi und Science Fiction, experimentelle Prosa und Dada, realistische Fantasy und völlig abgefahrene Schreibratgeber (eine Idee hab ich schon), Abenteuerromane (Ich könnte mal wieder meine Dschungelqueen aktivieren … ach so, das wisst ihr ja auch nicht, die hab ich ja auch unter Pseudonym erschaffen …) oder endlich mal einen politisch dermaßen unkorrekten Roman schreiben, dass der Shitstorm wie ein Tornado über mich hinweg rast. Über mich. Dieter Paul Rudolph. Niemanden sonst. Also tschüss, ihr Parallelexistenzen, ihr gefakten oder nicht vorhandenen Lebensläufe, ihr ungelebten Schicksale.
Äh, ach ja: Ich habe auch weibliche Pseudonyme im Angebot. Also auch: tschüss Mädels.

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10 Kommentare

  1. Touché – gut gebrüllt Löwe. Mit geistert ein Text über Nicknamen im Kopf herum. Passt ja, wie die Faust…

  2. Herrlich! Hab mich köstlich amüsiert!

  3. Danke! Das hat mir die Flausen endgültig ausgetrieben … 🙂

  4. frickfilm

    Auf jeden Fall ist so ein radikal ehrlicher Text das Beste, was ich hier und / oder von Dir gelesen habe. Ich glaube, wenn du den Weg weiter gehst, wirst Du auch Leser haben. Die wenigsten guten Autoren waren Schönheiten. 😉 Aber sie haben polarisiert und aufgeregt. Viel Glück!

  5. Starke Ansage, bleib dir Treu und leg deine Bücher doch einfach unter deinem (sehr interessanten) Namen noch mal neu auf…

  6. Marianna Gärtner

    Hilf Himmel – ich habe mich gerade schlapp gelacht!
    Wenn Deine nächsten Romane in DIESEM Ton verfasst sind, dann hast Du soeben eine neue Leserin gewonnen!

  7. Dieter Paul Rudolph klingt doch rattengeil für einen Krimiautoren! Und wenn Du weiterhin so gnadenlose Texte auf diesem unsozialen Medium ablieferst, freue ich mich heute schon drauf!

  8. petratornackzimmermannwebde

    Die Erkenntnis hat aber ein bisschen lange gedauert 🙂
    Und wegen des Fotos … einfach einen schicken jungen Kerl draufpappen…
    Ich hardere noch, ob ich mir mal ein Pseudonym zulegen sollte.

  9. Namen sind Schall und Rauch. Inhalte nicht. Drum hau‘ die Inhalte raus! Wenn sie ähnlich gut sind wie der Text oben, kann eigentlich nix mehr schief gehen.

Trackbacks

  1. Pseudonym – der Spaß an der zweiten Persönlichkeit - Anja Fielenbach

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