Schritt für Schritt zum professionellen eBook -3-
In den bisherigen zwei Folgen wurde versucht, die Schritte bei der Erstellung eines einigermaßen professionellen eBooks nachzuvollziehen. Abschließend soll es um das gehen, was ich als professioneller Autor, d.h. als jemand, der von seiner Arbeit leben möchte und muss, zu beachten habe, um mein Produkt (ich nenne es ganz bewusst nicht »Werk«) in einen Zustand zu versetzen, der es erlaubt, mit der ebenfalls professionellen Konkurrenz in einen aussichtsreichen Wettstreit zu treten. Auf die grafische Schritt-für-Schritt-Darstellung sei hierbei verzichtet, ich versuche vielmehr einen kleinen »persönlichen Erfahrungsbericht« abzuliefern.
Die Entscheidung, vom Schreiben leben zu wollen, geht immer mit etwas anderem einher: der Marktbeobachtung. Erste Frage: Wo stehe ich eigentlich? Welche Texte möchte ich schreiben? Geht es mir darum, ein mich selbst als Künstler befriedigendes Produkt (und hier würde ich dann wieder »Werk« sagen …) anzufertigen oder möchte ich ein möglichst zahlreiches Publikum erreichen? Falls Letzteres: Wie weit gehe ich in meiner schriftstellerischen Selbstverleugnung?
Am Besten wäre es natürlich, ich könnte von dem, was ich sowieso schreiben will, auskömmlich leben. Aber was heißt »auskömmlich«? Manch einer ist damit zufrieden, ein wenig über Hartz-IV-Niveau zu liegen, andere träumen von Jachten und Swimmingpools. Wichtig ist, dass meine Erwartungen mit dem korrespondieren, was mir der Markt über meine Chancen verrät. Und das ist eine ganze Menge. Als Autor experimenteller Lyrik kann ich nicht erwarten, überhaupt vom Schreiben leben zu können, als jemand, der mit Vorliebe Liebesromane auf Heftchenniveau verfasst, lockt mich eine riesige Interessentenmenge – und mindestens genauso viel Konkurrenz. In meinem Stammgenre, dem Kriminalroman, sind die Aussichten ebenfalls nicht schlecht, der Hunger nach guten Krimis ist nach wie vor ungestillt. Aber: Krimi ist nicht Krimi. Auch hier gibt es einen Mainstream und eher plätschernde Nebenbäche. Bevor ich mich entschloss, vom Schreiben zu leben, habe ich vier Kriminalromane in kleineren Verlagen veröffentlicht. Alle wohlwollend von der überregionalen Kritik aufgenommen, Zeitungen, Funk, einmal sogar Fernsehen. Und alle ohne Gnade vor den Augen des zahlenden Publikums, keiner kam auch nur in die Nähe vierstelliger Verkaufszahlen.
Damit konnte ich also kaum hoffen, meine Miete, von allem anderem ganz zu schweigen, bezahlen zu können. Sollte ich vielleicht das Genre wechseln? Oder mich Sachbüchern widmen? Ich hatte damals zwei auf dem Markt, auch keine Bestseller, aber sie verkauften sich wesentlich besser als meine Romane. Um eine Entscheidung zu treffen, tat ich dies: Ich habe mich durch die Bestsellerlisten gelesen, was ein qualitativer Kraftakt – und nicht selten auch eine Tortur war. Am Ende jedoch stand der Kompromiss: Ich würde dem Genrepublikum entgegenkommen, ohne meine Freude am Schreiben zu verlieren oder meine stilistischen Eigenarten zu verleugnen. Ein halbes Jahr brachte ich dann damit zu, meine persönliche Handschrift zu entwickeln, wobei mir meine Vorliebe für »Triviales mit Niveau« zugute kam. Genau das sollte meine Richtung sein, weniger Experimente, weniger Verletzung der Regeln, ein Angebot an den typischen Genreleser, allerdings nur solche, die bereit waren, sich auch auf vertrackte Geschichten einzulassen und die Qualität eines Krimis nicht an der Zahl der Leichen und der Grausamkeit der Tötungsarten festmachten.
Der erste Krimi, der unter dem Pseudonym Tom Dehlin (jetzt ist es endgültig gelüftet) entstand, verkaufte sich als eBook bis heute etwa 35.000 Mal und ist mein mit Abstand erfolgreichster Titel. Ursprünglich im Selfpublishing erschienen, wurde er in das Amazon-Verlagsprogramm aufgenommen, was mich zum »Hybridautor« machte. Aber das war nicht das Entscheidende. Ich kannte ab sofort mein Publikum und wusste, wie ich es zu »bedienen« hatte. Jeder Roman ist etwas, worauf ich stolz bin, obwohl ich, müsste ich nicht davon leben, gewiss hier und da die erzählerische Schraube etwas weiterdrehen würde, um mit jeder neuen Windung ein paar tausend potenzielle Leser mehr zu verlieren.
Ich beschreibe dies deshalb so ausführlich, weil mir bewusst ist, wie schwer sich viele Autoren tun, die den Spagat »MEIN WERK« – »MEIN PRODUKT« hinbekommen wollen. Von eigenen Idealvorstellungen abzurücken, in gewisser Weise künstlerisch pragmatisch zu werden, hat etwas von »Verrat an sich selbst«, von der Schändung des »Herzbluts« oder dem Verleugnen der eigenen Seele. Aber man sollte nie die höchste Maxime des Schreibgewerbes vergessen: Sobald ich von etwas leben will, muss ich genug Kundschaft haben. Ich kann sie mir »erziehen«, was jedoch eine riskante und oft erfolglose Anstrengung ist, oder ich kann auf sie zugehen und ihnen ein Angebot machen, mit dem beide Seiten gut leben können. Die einzige Bedingung, die ich mir selbst auferlegt habe, war die: Ich möchte kein Buch schreiben, das ich nicht selbst gerne lesen könnte.
Kommen wir zu einem zweiten wichtigen Punkt auf dem Weg zum professionellen Schreiben: der Konkurrenz. Dass ich meine Basis gefunden habe, dass das Potenzial meiner Leser groß genug ist, mich finanziell über Wasser zu halten, besagt nämlich noch lange nicht, dass es mir auch gelingt. Ich muss mich ständig informieren, wie denn meine »Fressfreunde« agieren, welche Standards sie setzen und ob ich mit den meinen auf einer Höhe mit ihnen bin. Setzt sich z.B. der dickleibige Krimi durch und sollte ich mit meinen 250-Seitern nachziehen? Ich muss nicht, aber ich sollte darüber nachdenken. Welche Covergestaltung ist gerade beliebt? Verliert der klassische Polizeiroman an Boden gegenüber dem Thriller? Oder taucht plötzlich wieder der gute alte versoffene Privatdetektiv auf? Wie steht es mit Humor im Krimi?
Noch einmal: Man sollte sich nicht sklavisch an diese Entwicklungen hängen, viel mehr sich zu eigenen, maßgeschneiderten Überlegungen inspirieren lassen. Die Grenze ist immer dann erreicht, wenn ich einfach nicht will, wenn es meine unter Punkt 1 erläuterte Entscheidung konterkariert.
Punkt 3 betrifft das Lesepublikum. Nichts ist wichtiger als die Fanbase, eine Stammleserschaft, die mir einen guten Rankingstart ermöglicht und schon einmal einen gewissen Verdienst sichert. Die Nutzung der hinlänglich bekannten Kommunikatonsmedien, von Facebook bis zum eigenen Block oder der Mailinglist, sei hier nur erwähnt, es versteht sich von selbst. Ein wenig in den Hintergrund rückt jedoch zumeist ein anderer Aspekt: der Respekt vor meinem Leser. Ich bin davon überzeugt, dass viele Leser es irgendwann merken, wenn man ihnen etwas vormacht, bei der Plotentwicklung schludert, die immergleiche Dramaturgie entwickelt. Zunächst kann das durchaus dazu führen, eine gewisse Vertrautheit herzustellen, denn auch Leser setzen auf Routine und haben eine konkrete Erwartungshaltung. Irgendwann jedoch schlägt das um, aus erfüllter Erwartung wird Langeweile. Auch Leser entwickeln sich, auch Leser sind Neuem gegenüber aufgeschlossen. Und, mal ganz ehrlich, es gibt für einen Autor nichts Trostloseres, als wie ein Schreibautomat vorgefertigte »Produkte« herzustellen. Daran scheitert übrigens auch jeder Pizzahersteller, der sich nicht auf veränderte Geschmäcker einstellt …
Zur Professionalität gehört sicher noch einiges mehr, auch, nicht zu vergessen, die Entscheidung für oder gegen ein Voll-Lektorat. Denn der Entschluss, von meinem Schreiben leben zu können, macht mich letztlich zum Unternehmer, auf dessen Agenda auch der Punkt »Investitionen« zu stehen hat. Lektorat, Cover, Satz, Werbung, Lesungen, Aktionen auf Buchmessen … auch diese Punkte sollte ich mir gut überlegen und kritisch prüfen, ob sie hilfreich sein können, um meinen Status als »kann vom Schreiben leben« zu halten.
Denn eines muss man wissen: Der ganze Spuk kann schnell wieder vorbei sein. Und falls ich die Möglichkeit habe, sollte ich mich nach zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten im Rahmen meiner schriftstellerischen Tätigkeit umschauen. Fremde Texte zu lektorieren, das gehört dazu, aber dazu gehört noch einiges mehr als das Selberschreiben.
Überhaupt: Man muss sein Leben fortan auf das Schreiben einstellen, es vielleicht sogar radikal umkrempeln. Wer professionell schreibt, kann nicht darauf warten, bis ihn die Muse küsst. Er muss Routinen entwickeln, die es ihm auch erlauben, die berüchtigte »Schreibblockade« zu umgehen. Er braucht auch den Mut, eine gewisse Zeit innezuhalten, keine Zeile zu schreiben, aber die Situation nüchtern zu analysieren, um eventuelle Fehlentwicklungen korrigieren zu können. Kurzum: In gewisser Weise bin ich ein Schreibhandwerker, ein Bürokrat meiner kreativen Arbeit. Ist das schlimm? Keineswegs.
- Veröffentlicht in: Uncategorized
Hallo dpr,
als ich die Überschrift deiner Trilogie entdeckte, konnte ich gerade noch einen Impuls unterdrücken, die Meldung ›Bei Patchwork auf das eBook-Symbol klicken – fertig‹ von mir zu geben. Dann hab ich doch hineingelesen 🙂
Will meinen, zu mir sprach der Titel auf den rein technischen Veröffentlichungsprozess bezogen. Das ist schade, denn es steht – vor allem im dritten Teil – viel drin, was damit nichts zu tun, aber auf einer essentielleren Ebene eine Rolle spielt.
Oder in anderen Worten (kürzer): Ein lesenswerter Artikel, aber der Titel weckt (bei mir) falsche Vorstellungen.
Viele Grüße
Martin
Mein Partner Hape und ich sind zu ähnlichen Ergebnissen wie du gekommen. Meine größte Hürde ist dabei immer noch, dass ich mich einfach nicht auf ein gewisses Niveau herabbegeben kann. Hape meint, ich soll mein Ego über Bord schmeißen. Ein Profi kann das, wenn er Geld verdienen will. Ich will hier um Gottes Willen kein Leser-Bashing betreiben, aber was ich so in den Leseproben bei den TOP 100 lese, da kräuseln sich mir oft die Fußnägel. Mit Krimis hat man es allerdings leichter, ich schreibe vorwiegend Fantasy und Historisches. Das Genre zu wechseln, um mehr Leser zu erreichen, fiele mir sehr schwer, ist eigentlich unmöglich. Also bin ich doch kein Profi.
Sehr gut und sehr sachlich zusammengefasst, mit Darstellung der Alternativen, ohne zu werten. Finde ich prima. Da kann sich jeder eine Checkliste daraus machen und in kurzer Zeit einordnen, wo und für was er als Schriftsteller steht. Und falls das Ergebnis nicht passt, überlegen was er ändern müsste.